Retentionsdächer und die Stadt von morgen
Autor: Marten Beckmann
Ob Kölner Dom, Berliner Fernsehturm oder Frankfurter Maintower, wer schon einmal auf einem Aussichtspunkt in einer großen Stadt in die Ferne schaute, sah vor allem eins: viel Grau. Denn wenn man Metropolen von oben betrachtet, sieht man neben Straßen vor allem Dächer, welche bis zu der Hälfte der Stadtoberflächen ausmachen. Enorm viel Potenzial, das in den meisten Fällen leider ungenutzt bleibt.
Das jedes Gebäude ein Dach besitzt ist klar, doch nur wenigen ist bewusst, was das bedeutet. Denn alle Dächer zusammengenommen ergeben eine gigantische Fläche, die aufgrund ihrer exponierten Lage eine wichtige Rolle im Stadtsystem spielt oder besser: spielen könnte. Denn wenn die Sonne über Frankfurt steht, scheint diese nicht nur auf die Parks, Straßencafés und die Mainpromenade, sondern vor allem auch auf abertausende Quadratmeter Dächer, welche sich aufgrund von Versiegelung stark erhitzen. Auch das ist ein Grund, warum sich Städte deutlich schneller aufheizen als das umliegende Land.
Doch eine noch deutlich wichtigere Rolle bekommen die Dächer unserer Städte, wenn es regnet. Denn mit bis zu 50% der Stadtoberfläche fällt der meiste Regen auf die Überdachung der Stadtgebäude und läuft dann durch Regenrinnen in die Kanalisation, welche das Wasser dann aus der Stadt führt. Doch wie in der heutigen Zeit der globalen Erwärmung immer klarer wird, wird das Regenwasser in den Städten dringend benötigt: Zur sanitären Verwendung, Bewässerung von Grünanlagen, Reinigung der Infrastruktur und Kühlung der Stadt. Denn durch lange heiße Trockenphasen (gerade im Sommer) ist das flüssige Gut in vielen Metropolen knapp geworden und die wenigen Starkregenereignisse reichen nicht aus, da ein Großteil des Niederschlags in der Kanalisation verschwindet. Daher gilt neuerdings nicht raus, sondern rein mit dem Wasser in die Stadt.
Ein vielversprechendes Stadtkonzept, welches genau diesen Gedanken aufnimmt, ist die sogenannte Schwammstadt, welche in einem anderen unserer Blogartikel näher beschrieben wird. Dabei geht es um die Aufnahme und Speicherung von Regenwasser, welches die Stadt wie ein großer Schwamm förmlich aufsaugt. Und hier kommen dann wieder die Dächer ins Spiel, die heutzutage noch eher zum Ableiten des Niederschlags genutzt werden. In den Städten von morgen sollen die Dächer von Gebäuden zu riesigen Wasserspeichern werden, welches dieses dann gezielt zur Verwendung wieder abgeben. Eine Lösung sind hier sogenannte Retentionsdächer, welche auf dem diesjährigen Weltkongresses des Bundesverband Gebäudegrün viel Raum einnahmen.
Retentionsdächer sind Flachdächer, die mithilfe von tieferliegenden Retentionselementen, welche als Stauräume dienen, Niederschläge aufnehmen können. Das gespeicherte Wasser kann dann für zahlreiche Anwendungen verwendet werden. So wird es oftmals zur Bewässerung von urbanen Grünanlagen verwendet oder zur Toilettenspülung in Gebäuden eingesetzt. Auch werden die meisten Retentionsdächer begrünt, was nicht nur die Erhitzung der Dächer deutlich reduziert, sondern auch Biodiversität fördert. Darüber hinaus eignen sich die wasserspeichernden Dächer hervorragend zur Kühlung ganzer Gebäude. Weil Wasser sich nur träge erwärmt, können Gebäude mit Retentionsdach teilweise schon auf die Klimaanlage verzichten. Und um alle Statiker zu beruhigen, können Retentionsdächer so eingestellt werden, dass sie nur so viel Wasser aufnehmen, wie es die Bauweise des Gebäudes erlaubt – überschüssiges Wasser wird dann kontrolliert abgegeben (bestenfalls in einen anderen Speicher).
Und auch für alle Dächer mit Schräge gibt es Einsatzmöglichkeiten in der Schwammstadt. So könnten die Regenrinnen nicht mehr in die Kanalisation, sondern in Wasserspeicher in der Stadt führen, von wo aus es genutzt werden kann. Und tatsächlich gibt es viele kreative Lösungen für die Wasserspeicherung in der Stadt, ohne noch mehr Platz in den ohnehin engen Städten wegzunehmen. So gibt es bereits wassergefüllte Parkbänke, unterirdische Tanks oder saugende Parkplätze. Eine weitere Möglichkeit schlägt sogar ganze vier (!) Fliegen mit einer Klappe: Künstliche Seen und Wasseranlagen. Diese fördern Biodiversität, schaffen neue Erholungsgebiete, generieren einen Kühlungseffekt und speichern Wasser.
Wasser wird aufgrund des sich verändernden Klimas in den nächsten Jahrzehnten in vielen Weltregionen knapper. Umso wichtiger ist es, dass wir angemessener mit dem kostbaren Gut umgehen, vor allem in urbanen Gebieten, wo dieses aufgrund dichter Bevölkerung dringend benötigt wird. Neue Konzepte und Technologien wie die Retentionsdächer können dabei helfen, die Städte von morgen auch in Sinne des Wassermanagements nachhaltig zu machen.